Heute war mal wieder ein Tag zum Freuen und zum Weinen zugleich! Ok, zuerst habe ich mich richtig gefreut.
Nach einigen Workshops, ein paar Büchern und viel Austausch in Übungsgruppen, habe ich es echt “gi-rafft”, dieses Ding mit den Gefühlen und den Bedürfnissen. Heute kam die Sekretärin und sagte mir, sie möchte schon nach Hause gehen, ihre Mutter habe angerufen, gleich wieder aufgelegt und sei jetzt nicht erreichbar. Da kam mir ganz schnell über die Lippen “machst Du Dir Sorgen und möchtest Gewissheit haben, was los ist?”. Sie brauchte nur noch nicken und war sichtlich gerührt.
YAY! GFK im Einsatz! Gi-rafft!
Na ja, Zweifel habe ich aber schon….was wäre denn früher, bevor ich die GFK kennenlernte, anders gewesen? Da hätte ich wahrscheinlich auch nur gesagt, “klar, schau nach ihr”. Was war daran denn so viel schlechter? Eigentlich nichts. Ich hätte die Sekretärin verstanden, das Ergebnis wäre gleich – sie geht früher nach Hause. Sieht beim ersten Hinschauen gleich aus. Wir hätten uns auch so verstanden. Aus Sicht der GFK hat die Sekretärin eine Bitte geäußert…”hast Du etwas dagegen, wenn ich jetzt schon meinen Arbeitstag beende?” Es ist üblich im Alltag, dass wir vermuten, was unser Gegenüber will. Wenn wir das so wollen. So wie die Metapher mit dem Salz. Wenn ein Gast am Tisch nach dem ersten Löffel Suppe den Kopf hebt und suchend über den Tisch schaut, ist es nicht nötig, dass er sagt “wenn ich die Suppe im Mund schmecke, so ist es etwas fad, ich brauche Würze, kannst Du mit bitte den Salzstreuer reichen?” Das wäre umständlich und nicht alltagsnah. Ein suchender Blick reicht. Wenn ich so sprechen würde, wäre es ja logisch, wenn mich jemand dann seltsam findet.
Also warum will ich denn diese GFK in meinem Alltag am Arbeitsplatz anwenden? Verstehen kann ich vieles, ich bin therapeutisch ausgebildet, wir arbeiten im sozialen Sektor, ich bin ja nicht schwer von Begriff. Allerdings habe ich etwas beobachtet……schwer zu beschreiben, aber es gibt eine Art Verschiebung in der Qualität des Miteinanders, wenn Gefühle benannt werden. Und wenn dann Bedürfnisse vermutet werden, auch wenn sie nicht stimmen, ist die Klarheit so stark…wir reden über das, was wirklich gemeint ist. Und es gibt mehr Blickkontakt. Meist gefolgt von Entspannung. Ganz ehrlich, ich fühle mich dann einfach gut…und das darf ich auch, obwohl….oder vielleicht gerade weil ich Führungskraft bin. Mir solls ja auch gut gehen!
Ok, Verständnis steigern im stressigen Arbeitsalltag, ja das ist hilfreich. Als Führungskraft weiß ich… die Mitarbeiter brauchen Motivation über Rückmeldungen und positive Ansprache. Wenn sie sich verstanden fühlen, leisten sie ihre Arbeit mit mehr Engagement und Freude. Also lerne ich “gute Worte” und signalisiere, ich verstehe sie. Aber so einfach ist das nicht… es geht darum, wie ich dieses Verstehen zum Ausdruck bringe.
Also zum Kollegen, der sich über eine Kundin beschwert, die einen Termin platzen lässt, zu sagen…”Du möchtest, dass es Wertschätzung und Respekt gibt und Deine Zeit auch effektiv genutzt wird?” …und zack…..der beruhigt sich und sagt, ” ja …ich will nicht, dass mein Einsatz umsonst ist. Ich will wirklich effektiv sein”. Und schon ist die Kundin nicht mehr Thema und er beginnt zu überlegen, wie er seine neu gewonnene Zeit (der geplatzte Termin) effektiv nutzen kann.
Es ist so viel leichter für mich zu “führen”, seitdem ich Bedürfnisse anspreche….es scheint mir so, als ob es direkt ins Herz geht und die Kollegin/der Kollege kann ganz sicher gehen, ich habe zugehört und verstanden. Und auch ich bin glücklich, es wird nicht mehr so viel im Büro über Andere gemeckert. Das mag ich sehr! Und das ist das Besondere… das, was anders ist mit dieser GFK. Früher dachte ich, Rosenberg lehrt mich wie ich andere, gewaltfreie Worte finde. Jetzt habe ich es…es geht nicht nur darum, Andere besser zu verstehen, in Verbindung zu kommen, sondern dass auch ich mit mir, in mir, zufrieden und erfüllt bin.
Und die Bitte? Muss diese denn ausgesprochen werden? Wenn ein Mitarbeiter mir sagt, er ist gestresst und braucht mehr Zeit für die Abgabe eines Projektberichtes. Dann weiß ich doch, was er will. Oder nicht? Da habe ich ihm doch gleich letzten Donnerstag einen Tag mehr Zeit gegeben und der war gar nicht glücklich. Naja, wenn er direkt gefragt hätte, für eine Verlängerung der Abgabefrist von xyz Tagen….wäre das sicher auch gegangen, das hätte ich auch genehmigt. Wenn er nicht fragt, dann mache ich doch einen Vorschlag! Nach seiner Reaktion, hätte ich ja auch nachhaken können…..er schien nicht so zufrieden….aber ich war echt in Eile. Bin mal gespannt, wann er nun abgibt.
Eine schwierige Situation war heute im Projektausschuss: Als Herr B., ein Schulleiter, sich weigerte bei dem geplanten Projekt für obdachlose Jugendliche mitzumachen, obwohl es nichts gekostet hätte, waren alle anderen im Ausschuss richtig sauer. Es ging doch nur um einen Raum in der Schule. Er hatte letztes Jahr zugesagt! Nur einmal im Monat. Der Geschäftsführer des Jugendzentrums warf mit Urteilen nur so um sich und zweifelte an, ob der Schulleiter mit seiner Anwesenheit richtig wäre in diesem Entscheidungsgremium. Gespannte Stimmung. Wieder mal eine lange Sitzung! Worum ging es hier eigentlich? Ich habe vermutet, dass es Herrn B. um den Schutz der Schüler r/innen und das Ansehen der Schule in der Öffentlichkeit geht. Mir war bekannt, dass es letztes Jahr einen Vorfall mit schulfremden Jugendlichen in der Schule gegeben hatte, schlechte Schlagzeilen in der Lokalzeitung und der Schulleiter wollte sich nur an Projekten beteiligen, die direkt etwas mit “seinen” Schülern zu tun haben. Als ich diese Vermutung äußerte, entspannte sich zwar die Situation, der Schulleiter erzählte nochmal über den Vorfall……sagte, das Projekt sei ja auch wichtig, und es gingen wieder die Argumente für oder gegen den Raum in der Schule los…….aber mir ging nur eine Frage im Kopf rum: Was könnte denn nun der nächste Schritt für das geplante Projekt sein? Wir brauchten einen Raum, sonst verfällt die Projektzuwendung. Was war eigentlich die Bitte? Hatte der Schulleiter eine Bitte an uns geäußert? Ihn zu verstehen. Ja. Und ihm zu glauben, dass er das Projekt auch wichtig findet. Mmmm. Ich vermutete…. “Sie möchten, dass das Projekt stattfinden kann, wollen es zwar unterstützen, aber brauchen auch den gesicherten Schutz für Ihre Schule (inklusive Schülern). Kann es sein, Sie würden uns helfen,einen anderen Raum im Bezirk zu finden, damit das Projekt stattfinden kann? “JAAA, genau!” Und Erstaunen im Ausschuss. Da hatte auch der Schulleiter gleich eine Idee…die Kirche um die Ecke hatte einen Gemeinschaftsraum, der an einem Tag pro Woche ungenutzt war. Er würde dort nachfragen.
Ok. Dann war auch das, was heute nicht so gut lief. Ich mal wieder bis 20.00 am PC im Büro gesessen….die Überweisungen noch vor Monatsende erledigen. Der Tag war echt anstrengend gewesen…und die Sekretärin war ja früher weg, also war ich auch im Telefondienst und konnte meine Sachen nicht so leicht nacheinander abhaken. Am grünen Donnerstag….kurz vor Ostern ….alle anderen waren schon längst weg. Und ich sitze da, mache Pause und spiele Solitaire! Mein Partner rief an, er wolle losfahren ins Wochenendhäuschen, ob er mich abholen solle? Nee! Wird nichts, Ich komme morgen früh raus und bringe frische Brötchen mit. Ich kann doch nicht jetzt weg… und allein im Dunkeln die Landstraße langfahren… mit meinen müden Augen… heute Nacht bleibe ich noch in der Stadt. Gott sei dank, konnte er nicht sehen, dass ich nur am PC spiele. Aufgelegt.
Was war denn das? Wieso lüge ich? Und wen lüge ich eigentlich an? Ich mache mir einen Tee und denke nach. Also..Gefühl? Frustriert und müde, Zeitdruck im Nacken. Aber ich spiele doch nur am PC rum! Bedürfnis…?…will Entspannung…mir etwas Gutes tun, mich belohnen nach dem schweren Tag. Tja…die Bitte, die Bitte……was wäre eine passende Bitte? “Die Bitte ist ja auch eine Strategie, um ein Bedürfnis zu erfüllen”. Das hatte ich noch vom Workshop im Ohr. Das ist es also, was ich da mache….ich spiele Solitaire, um mich zu entspannen… mmmh….jetzt mal ganz ehrlich …ist das die beste Strategie?
Wenn ich also ganz ehrlich mit mir war, so war es das nicht. Viel besser, ich würde schon vor dem Kamin sitzen mit einem heißen Tee und Blick auf die Bäume, den nassen Gartengeruch in der Nase. Und was ist mit den Überweisungen? Na ja, die Bank wird sie wohl erst am Dienstag bearbeiten… ist ja Ostern. Also fass ich mir ein Herz… und rufe meinen Partner gleich wieder zurück. “Du, wenn Du mir noch eine halbe Stunde gibst, dann fahre ich doch mit Dir raus, kannst Du mich abholen?”
Eine Bitte an mich selbst also. Das ist es! Ich kann immer prüfen, ob meine gewählte Handlung wirklich passt zu dem, was mir wichtig ist. Stattdessen hatte ich da gesessen, fühlte mich erschöpft und hatte noch ein schlechtes Gewissen…ha! Anstatt damit fortzufahren, bat ich mich selbst darum, meine Entscheidung zu ändern und dann noch die Bitte an meinen Partner… mich zu unterstützen.
“Holst Du mich um 20.30 ab?” Das war konkret, nachvollziehbar und machbar.
YAY!
Mmmm… jetzt kann ich noch überlegen, ob ich mein Schamgefühl überwinde und ihm davon erzähle, was wirklich los war und wie ich zu meinem Rückruf kam. Oder ich genieße einfach das Wochenende im Grünen. Entspannung, Erholung, Genuss. Und übe mich darin, mir selbst zu verzeihen.
Tja, dafür könnte ich wohl noch einen GFK-Workshop besuchen…